Anwaltliche Sorgfaltspflichten in Bezug auf Prozeßkostenfinanzierung
An dieser Stelle möchten wir nochmals darauf aufmerksam machen, daß Anwälte zur Vermeidung eigener Haftung in erkennbar dafür geeigneten Fällen von sich aus den Mandanten über die grundsätzliche Möglichkeit aufklären müssen, eine Prozeßkostenfinanzierung anzufragen, und auch verpflichtet sind, bei der Auswahl eines geeigneten Anbieters und den Verhandlungen mit diesem behilflich zu sein (OLG Köln, 5 U 33/18, NJW-RR 2019, 759; einhellige Ansicht auch im Schrifttum zu § 43 BRAO). Der Deutsche Anwaltverein DAV stellt hierfür als Arbeitshilfe eine gerade erst überarbeitete Liste der (relativ wenigen) Prozeßkostenfinanzierer auf dem deutschen Markt zur Verfügung (Anwaltsblatt Online 2021, S.223), auf der natürlich auch Jurfin als inzwischen etablierter Anbieter aufgeführt ist.
Auswahlkriterien für den Finanzierungspartner sind neben den angebotenen Konditionen zur Gewinnbeteiligung auch die allgemeinen Vertragsbedingungen und die Nebenleistungen. Gerade hierbei schneidet Jurfin mit ihrem für jeden Fall individuell verhandelten Angebot, mit ergänzenden Tätigkeiten bei der Sachverhaltsaufklärung und kundenfreundlicher Berechnungsweise (z.B. kein Vorabzug der Kosten im Erfolgsfall, was den tatsächlichen Anteil des Mandanten am gezahlten Betrag verringern würde, sowie in geeigneten Fällen Verfolgung der Gesamtkosten der Prozeßfinanzierung beim Gegner) besonders gut ab.
Das Thema "Prozeßkostenfinanzierung" bildet in Handbüchern für das erbrechtliche Verfahren inzwischen auch ein Pflichtthema. Im Standardwerk von Bonefeld/Kroiß/Tanck ("Der Erbprozeß", 5. Auflage Bonn 2017) etwa füllt es ein eigenes, 36 Seiten langes Kapitel (§ 15, "Prozeßfinanzierung im Erbrecht", bearbeitet von Max Klessinger). Auch eine gute Fachanwaltsausbildung im Erbrecht sollte diese Thematik daher nicht aussparen.
18. Juni 2021
Wirecard - Eine Zwischenbilanz
Heute vor genau einem Jahr wurde dem international tätigen Zahlungsdienstleister Wirecard AG, einem deutschen DAX-Vorzeigeunternehmen, wegen eines zuvor verschleierten Fehlbestandes von fast 2 Milliarden Euro das Testat für den Jahresabschluß 2019 verweigert. Der Aktienkurs stürzte ab, eine Woche später mußte das Unternehmen Insolvenz anmelden. Tausende von Anlegern hatten teils erhebliche Summen, zusammen wohl im mehrfachen Milliardenbereich, verloren.
In der Folge wurde bekannt, daß Wirecard bereits seit vielen Jahren mutmaßlich mit Scheingeschäften und Luftbuchungen systematisch ein kriminelles Betrugssystem betrieben hatte und niemals solide Gewinne erwirtschaftet worden waren. Es besteht inzwischen zudem der dringende Verdacht, daß die verantwortlichen Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) für den "guten Kunden" Wirecard trotz vieler Warnungen und Hinweise auf massive Unregelmäßigkeiten lange die Augen zugedrückt und gegen alle Regeln der Kunst die Phantasieangaben der Wirecard AG in den Vorjahren immer wieder als angeblich überprüft abgesegnet hatten. Das hierdurch in der Öffentlichkeit erzeugte falsche Vertrauen in die Wirecard AG kam die Aktionäre nun teuer zu stehen.
Aus diesem Grund haben Geschädigte inzwischen auch Schadensersatzansprüche gegen EY geltend gemacht. Der Fall ist in dieser Dimension einzigartig in Deutschland, und Klagen gegen EY haben ein relativ hohes Risiko, weil den Wirtschaftsprüfern vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden muß. Jurfin hat nach genauer Prüfung und Berechnung trotzdem eine Reihe von ausgewählten Einzelklagen von geschädigten Anlegern gegen EY zu den üblichen Konditionen finanziert. Soweit uns bis zum heutigen Tage bekannt geworden ist, sind wir der einzige Prozeßkostenfinanzierer, der dieses Engagement gewagt hat.
Jurfin arbeitet in allen diesen Fällen inzwischen mit der Münchener Kanzlei MATTIL Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht zusammen. Die frühere Zusammenarbeit mit einer anderen Kanzlei mußten unsere Mandanten nach einem einseitigen Wechsel in der dortigen Sachbearbeitung und mit diversen Problemen bei der Mandatsbearbeitung in der Folge beenden.
Wir haben nunmehr die letzten Finanzierungszusagen in Wirecard-Fällen gegeben und übernehmen keine neuen Fälle mehr.
Jedenfalls hat sich unsere schon im Sommer 2020 gegebene sehr frühzeitige Prognose, daß die kommenden Ermittlungen und auch die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses EY stark belasten würden, als zutreffend erwiesen. Aufgrund genau dieser Fähigkeit zur guten, weit vorausschauenden Einschätzung und zur Beteiligung an Aufklärungsmaßnahmen konnte sich Jurfin zum Vorteil der vertretenen Geschädigten an einem kalkulierten Risiko beteiligen, vor dem andere im Wettbewerb (einmal wieder) zurückschreckt sind, und für die Betroffenen Finanzierungen anbieten und übernehmen.
05. Dezember 2020
Erweiterung unseres Finanzierungsrahmens
In Reaktion auf die von der deutschen Politik für 2021 beschlossene massive Erhöhung der Justizkosten (Gerichts- und Anwaltsgebühren) um 10 - 20 % mußten wir unseren Finanzierungsrahmen anpassen.
Um zu vermeiden, daß wir Fälle ablehnen müssen, die sich wegen der gestiegenen Kosten für einen Gewinnanteil von unter 30% nicht mehr rechnen würden, haben wir den Schwellwert für unsere Erfolgsbeteiligung auf bis zu maximal 33,3% angehoben. Mit dieser neuen Grenze können wir weiterhin die meisten Fälle mit vernünftigen Gewinnaussichten, trotz eines deutlichen Restrisikos, ab einem Streitwert 500.000 € darstellen, und Fälle mit guten Gewinnaussichten auch schon bei Klagesummen deutlich darunter.
Zur Klarstellung: Diese Grenze ist nur der Höchstwert für Fälle mit entsprechend gesteigertem Risiko. Nach wie vor können wir bei günstigeren Umständen auch Finanzierungen für 20 - 25% Gewinnanteil, manchmal sogar weniger, anbieten. Übrigens: Damit verdienen wir keinen Cent mehr. Wir reagieren lediglich auf die Entscheidung der Politik, den Zugang zum Recht in Deutschland zu verteuern. Die neue Quote gleicht nur die gestiegenen Rechnungen der Anwälte und der Gerichtsgebühren aus.
24. Oktober 2020
Wirtschaftskriminalität - Lehre und Praxis
Zum "Ersten Jahrestag" der Gründung von Jurfin als GmbH haben wir ein wenig im Archiv geblättert. Folgender Eintrag im Vorlesungsverzeichnis der Universität Hamburg fiel uns dabei ins Auge - die Vorlesung "Wirtschaftsstrafrecht" unseres Geschäftsführers Rechtsanwalt Dr. Elmar Vitt. Liest sich das nicht wie eine Beschreibung des "Falles Wirecard"?
Hinweis: Die Anschrift der Kanzlei und die damaligen Hamburger Kontaktdaten aus dem Dozentenverzeichnis sind nicht mehr aktuell.
23. Juli 2020 (Update Mai 2021)
Schadensersatz für Betriebsschäden durch staatliche Corona-Maßnahmen
An dieser Stelle haben bereits vor knapp einem Jahr wir ausgeführt, warum wir - entgegen vielfacher abweichender Behauptungen insbesondere aus der Anwaltschaft - Schadensersatzklagen gegen den Staat wegen übermäßiger und sachlich verfehlter Corona-Maßnahmen für fast durchgehend völlig aussichtslos halten und dies auch näher begründet, so daß wir die Finanzierung derartige Prozesse nicht übernommen haben.
Wie sich gezeigt hat, war unsere vorausschauende Einschätzung erneut in vollem Umfang richtig. Daher gilt unsere damals erstellte Analyse, die wir nachfolgend noch einmal anfügen, uneingeschränkt weiter.
1. Schadensersatz bei rechtswidriger Betriebsschließung oder Tätigkeitseinschränkungen
Haftungsfälle für rechtswidriges Handeln kommen zur Finanzierung in Betracht, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für unsere Tätigkeit vorliegen. Dafür ist jedoch regelmäßig ein abgeschlossenes verwaltungsgerichtliches Verfahren erforderlich, das die Rechtswidrigkeit festgestellt hat, oder ein laufendes Verfahren im konkreten Fall, bei dem nach der bereits ergangenen sonstigen Rechtsprechung die Feststellung der Rechtswidrigkeit zu erwarten ist. Solche Fälle gibt es, sie sind aber die (seltene) Ausnahme.
2. Entschädigung für rechtmäßige Betriebsschließungen oder Tätigkeitseinschränkungen
Für diese Fälle sehen wir bei den "üblichen Schäden" von z.B. einem halben oder auch einem ganzen Jahr Umsatzverlust keine Erfolgsaussicht. An Mandaten interessierte Anwaltskanzleien verbreiten naturgemäß optimistischere Annahmen. Aber wir haben vorab die Chancen von Klagen wie im Leitverfahren Landgericht Hannover, Az. 8 O 2/20, abgeschätzt, und zwar bevor das Gericht sich geäußert hat. Dabei ist eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit vermutet worden.
Wir sehen weder die logischen Voraussetzungen eines "Erst-Recht"-Schlusses bei der Anwendung von § 56 IfSG noch eine Regelungslücke für gegeben an, und auch allgemeines Polizeirecht für strukturell unanwendbar. Das nunmehr vorliegende, ausführlich begründete Urteil des LG Hannover vom 09.07.2020 entspricht dem im Ergebnis und in der Begründung auf ganzer Linie.
Auch die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ergibt kein besseres Bild. Die Frage, ob eine Entschädigung von Verfassungs wegen gesetzlich zwingend hätte geregelt werden müssen, wird anhand einer Überprüfung des "Sonderopfers" im Regelfall verneint. Die enormen Lasten, die alle Bürger über die gigantischen "Programme" im Billionenhöhe (und durch sich auf erhebliche Belastungen summierende zahlreiche sonstige Kosten und Einschränkungen) zu tragen haben, liegen gemittelt im gleichen Bereich wie die bislang eingetretenen Umsatzausfälle geschlossener Unternehmen. In Anwendung des Gewaltenteilungsprinzips sehen wir den Vorrang des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, die praktische Verteilung von Entschädigungen zu regeln, und keine über die Justiz einklagbaren Ansprüche Einzelner gegen diese gesetzgeberische Wertung. Ebenso hat inzwischen das Landgericht Berlin mit Urteil vom 13.10.2020 ein "Sonderopfer" der Gastronomie verneint (Az. 2 O 247/20). In einem Eilrechtsverfahren hatte das LG Heilbronn schon zuvor diese Linie vertreten (Beschluß vom 29.04.2020, Az. I 4 O 82/20).
Lediglich im Fall einer darüber wirklich hinausgehenden Schadensfolge, etwa einer (endgültigen) Existenzvernichtung oder bereits jetzt sicher nachweisbaren langjährigen Schäden (behördlich verhinderte medizinische Behandlung führt zum Tod eines Unterhaltspflichtigen für Kinder im Kleinkindalter, mit Ausfall der Unterhaltszahlungen für 20 Jahre und mehr) fällt die verfassungsrechtliche Abwägung nach unserer Meinung möglicherweise anders aus. (Das entspricht übrigens, worauf wir aufmerksam gemacht wurden, der alten Rechtsprechung des BVerfG zum Seuchenrecht.) Auch andere vergleichbare Extremsituationen können in Betracht kommen. Hier bestehen dann ggf. sehr wohl Erfolgsaussichten einer Klage, und hier wird Jurfin entsprechende Anträge auf Finanzierung auch ernsthaft prüfen.
Um es aber ganz klar zu sagen: Der Hotelinhaber, dessen Hotel mehrere Monate schließen mußte und auch jetzt wieder nur eingeschränkt betrieben werden darf, der entsprechend betroffene Friseurladen oder Einzelhandelsbetriebe fallen nicht unter diese "existenzvernichtende" Kategorie, selbst wenn eine Insolvenz des Betreibers die Folge ist. Denn die Unternehmenssubstanz (Gebäude, Inventar, Personal, Know-how) bestehen weiter und können aus einer Insolvenz heraus genutzt werden. Das ist keine wirtschaftliche Existenzvernichtung, sondern ein Schaden, wie ihn am Ende dieser Art der staatlichen Handhabung der Krise auch jede Krankenschwester und jeder Busfahrer für seinen Lebensbereich werden tragen müssen, wenn die Abrechnung für die Billionenausgaben präsentiert wird.
Hier verbleibt es bei den gesetzlich beschlossenen Hilfsprogrammen, weitergehende Ansprüche halten wir derzeit für unbegründet. Die Corona-Maßnahmen sind politischer Natur und in der gegenwärtigen eingeschränkten Rechtsstaatlichkeit nicht grundlegend juristisch angreifbar. Dazu wurde die Entscheidung vom Volk am Wahltag getroffen.